Die unglaubliche Geschichte einer Essener Skifflegroup
Wie alles begann
im Pfarrheim St. Lambertus Essen-Rellinghausen
Man schrieb das Jahr 1960 nach Christus, als sich ein paar Rellinghauser Knaben, so um die 16 Jahre alt, im Pfarrheim St.Lambertus einfanden, um ihren einfachen Musikinstrumenten, sprich Wandergitarre, Waschbrett, Holzkiste und Trompetenmundstück ein paar zusammenklingendeTöne zu entlocken. (Die Holzkiste wurde kurzzeitig von einem ausrangierten Kontrabass abgelöst, der aber später der Feuchtigkeit im Übungskeller zum Opfer fiel) Dieselbe Aero-Hygro-Allergie beklagte später auch ein gebraucht gekauftes Klavier, indem es sich so nach und nach von diversen Tönen trennte, was die Virtuosität des Pianisten Gerd Krupp erheblich behinderte, bis es schließlich zum Exitus kam. (des Klaviers natürlich)
Doch zurück zu den Anfangstagen.
Auf BFN hörte man zu der Zeit des Öfteren einen gewissen Lonnie Donegan sowie Ken Colyer, die eine, auch für Amateure erlernbare Musik machten. (maximal 4 Akkorde) Man beherrschte 3, doch das reichte
für die meisten Stücke.
Die Texte wurden phonetisch nachgesungen, oft ohne den Sinn zu verstehen, aber irgendwie juckte das Keinen.
Die erste Rellinghauser Skifflegroup war geboren. Die"Streamliners" machten sich auf die Suche nach einem Übungsraum, dessen Benutzung nicht von der Laune des Pastors abhing, und wurden am alten
Bahhof Rellinghausen fündig.
Ein ehemaliger Luftschutzkeller wurde das neue Domizil. Ein passender Name musste her. Alter Bahnhof?
Eisenbahn? Zu blöd, die "Railway Skifflers" gab es schon. Also, Bahnhof? Station? "Old Station Ghosts" ! Bingo!
Jetzt hieß es üben, was die Saiten hielten. Schnell war auch der 4. Akkord gelernt und das Repertoire dementsprechend erweitert. Dann die Krönung: 04.12.1960, erster öffentlicher Auftritt beim
Steno-Verein im Uhlenkrug. (Zur Info für die junge Generation: "Steno" war eine Kurzschrift, die die bis kurz zuvor gebräuchliche Höhlenmalerei abgelöst hatte.) Man durfte das gesamte Repertoire zum
Besten geben. Alle 3 Lieder kamen beim jungen Publikum gut an, das sich mit den Tango- und Walzerrhythmen der Tanzkapelle, (so hießen Live-Bands damals) nicht so richtig anfreunden
konnte.
Wieder zurück zum Keller, der inzwischen mit Sitzbänken ausrangierter Linienbusse ausgestattet war, was Veranstaltungen am Wochenende mit bis zu 40 Personen ermöglichte. Als Gesangsverstärker wurde ein Grundig TK 20 zweckentfremdet, und so klang das dann auch. (Auf Seite "Videos auf Youtube" zu hören)
Man verlangte allerdings auch nur 49 Pfennig Eintritt (ab 50 Pfennig hätte man den Fiskus am Hals gehabt). In einer Ecke saß meistens Onkel Paul oder Tante Else, die sich außer den Ohren auch schon mal gönnerhaft die Augen zuhielten, oder einer von diversen großen Brüdern über 21, von wegen Jugendschutz und so. Doch zwischenmenschliche Beziehungen und kleine Techtelmechtel bei den Fans ließen sich nicht immer vermeiden. Woher allerdings der Name "Fummelbunker" bei der Rellinghauser Erwachsenenwelt kam, ist bis heute ein Rätsel.
Dann stand die nächste Namensänderung an. Man stellte fest, dass die Aussprache von "Old Station Ghosts" besonders nach
Allohol-Genuss Probleme bereitete, und suchte einen sprachlich nicht ganz so unfallträchtigen Namen.
Da machte "Eppi", ein fast zum Inventar gehörender Kumpel, einen auf Emigrant, und zwar nach "Brentwood", einem Vorort von New York. Als Abschiedsgeschenk nannte man sich von nun an "Brentwood
Skifflers". Klang internationaler und ließ sich besser lallen. Soviel zur ungewöhnlichen Namensgebung.
Die Weltkarriere lief dann ziemlich schleppend an. Die öffentlichen Auftritte beschränkten sich meist auf Wettbewerbe, wie z.B. um's "Silberne Waschbrett" im Steeler Stadtgarten, (siehe Original "Flyer" unten auf dieser Seite) oder auf kleine Einlagen bei geselligen Abenden verschiedener Vereine im näheren Umfeld, wobei von der "reiferen" Generation anschließend der Begriff "gesellig" neu interpretiert wurde. Vereinzelt wurden aber auch "Konzerte" in eigener Regie veranstaltet, so z.B. mit achtbarer Resonanz im Bürgerhaus Velbert, oder im Kolpinghaus Wattenscheid, bei dem in Folge von massiver Plakat- und Flugblatt-Werbung so um die 12 Leute erschienen waren, incl. Gemeindepfarrer.
Im Sauerland wäre es dann fast zum internationalen Durchbruch gekommen. Beim internen Open Air Konzert auf einer Waldlichtung bei Iserlohn trat neben Fuchs und Hase ein einsamer Wanderer in den musikalischen Dunstkreis der Band, der die Jungs auf der Stelle zum Spielen bei einem geselligen Herrenabend einlud. Eigentlich kein Problem, hätte es sich nicht um einen dort stationierten kanadischen Soldaten gehandelt, dessen Kameraden bei den pseudo-englischen Texten leicht ins Grübeln kamen. Alle Zuhörer in der Kasernen-Kantine vermuteten einen englischen Dialekt, den leider keiner der Anwesenden beherrschte. Den Entdecker Paddy Murphy sah man danach nie wieder.
Die Wochenendpartys im "Fummelbunker" ließen die Jungs aber die Lust am Skiffle nicht verlieren, bis irgendwann die Bundesbahn den sprichwörtlichen Riegel vor den Keller schob, weil ein BandmitGlied neben der Lust am Skiffle außerhalb der "Dienstzeit" auch noch die Lust auf 'm Sofa....aber Schwamm drüber....
So, das war's dann erstmal mit Musike. Jeder ging seinen eigenen Weg, und man verlor sich aus den Augen. Die Instrumente wurden eingemottet, oder zumindest an die Wand gehängt und man ließ andere, wie z.B. die Beatles oder Stones mal ran.. Das war so ca. Anfang 63.
45 Jahre später
Erster öffentlicher Auftritt bei Holgers Kleintierzüchtern in Dellwig
Jahrzehnt um Jahrzehnt ging ins Land, man schrieb das Jahr 2003, von Skiffle sprach mittlerweile keiner mehr, die Kids hielten das bestenfalls für ein Würfelspiel oder 'ne Infektionskrankheit, und Lonnie Donegan kam im Rap und Hip Hop auch nicht vor, da plötzlich meldete sich bei Gerd (ehemaliger Banjospieler der Band), ein gewisser Günner (ehemaliger Gitarrist derselben, und seit langen Jahren an der Waterkant verschollen), er käme zu Weihnachten in die alte Heimat, und wie wär et denn, die alte Clique, sofern noch greifbar, zum Klönschnack zusammenzutrommeln. Evtl. noch vorhandene Instrumente können mitgebracht werden.
Au, jaaa, super Idee....und Gerd las seit langer Zeit mal wieder ein Buch, und zwar dies mit den vielen
Nummern.
Und tatsächlich gab's die alten Jungs noch. Na,ja, "Jungs"; aber "alt" haute hin. Günni (sein heutiger Künstlername im Norden), kam, sah, und staunte: Selten hat der "Forsthaus"-Wirt in Rellinghausen eine fröhlichere Truppe bewirten dürfen, die sich dann auch noch mit handgemachter Mucke bedankte. Man soll's kaum glauben, aber graue Zellen sind in der Lage, nach 40 Jahren noch Texte und die dazugehörigen Akkorde aus dem Speicher zu lassen. Günni warf dann locker in den feuchtfröhlichen Raum, vielleicht mal wieder intensiver an die Skiffelei zu gehen, so wie er es seit Jahren in Hamburg mit seinen "Old Boys" praktizierte. "Ach, Quatsch", war die erste, und eigentlich auch normalste Reaktion auf derlei Ansinnen, und die Sache war erst mal vom Tisch. Allerdings war der Kontakt jetzt geknüpft, und wurde auch mehr oder weniger locker gehalten, ohne große Ambitionen auf die Skiffelei.
Da aber Holger sich nicht nur um sein Waschbrett, sondern auch noch um seinen Kleintierzuchtverein kümmerte, und dieser 2008 ein Sommerfest veranstaltete, verband man Beides miteinander und spielte nach der kleinen Pause von 45 Jahren erstmals wieder öffentlich. Das Ganze passierte ja, wie gesagt, bei den Kleintierzüchtern, und da Viren ja auch so kleine Viecher sind, müssen die Jungs sich da jeder so'n Ding eingefangen haben. Jedenfalls waren sie plötzlich infiziert. Man bot nun Wolfgang Kerwer, besagtem Forsthaus-Wirt, die schnelle Hilfe zum Reichwerden an, indem man mal einen Skiffle-Abend durchzöge. Es sollte nicht der einzige bleiben.
Im Gegensatz zu den Anfangszeiten legte man nun Wert auf Exaktheit der Texte, die man sich natürlich leicht "online"
besorgen konnte, und war oft erstaunt, welchen Blödsinn man da früher gesungen hatte. Um die Texte nun verständlich rüberzubringen, war eine "PA" vonnöten. (Laien sagen Verstärker-Anlage dazu, aber
sowas kam einem jetzt natürlich nicht mehr über die Lippen). Also hieß es nun, frei nach Heinrich Pumpernickel: "Und dann hau'n wir mit dem Hämmerchen das Sparschwein....."
Durch die Häufung von runden Geburtstagen im Bekanntenkreis, sowie die Sympathie einiger Kleingarten-Freunde für die Skiffle-Musik, mutierten nun 4 bis dato unauffällige Rentner zu "Rampensäuen".
Kleiner Scherz, aber man wollte nun die Musik, durchsetzt mit humorigen Einlagen nicht mehr missen, solange es beim Spaß blieb und nicht in Arbeit ausartete.
Und das sollte auch in Zukunft so bleiben.....
….Blieb es aber nicht, denn, da Spaß zu vermitteln zum guten Ton gehörte, legte man auch Wert auf einen solchen, was Schlepperei, sowie Auf- und Abbau von schweren Boxen und dergl. bedingte. Eine
Tätigkeit, die von Herren gesetzteren Alters natürlich als Schwerstarbeit empfunden wird. Der Lohn dafür waren dann allerdings immer wieder Auftritte bei Vereinsfeiern, Straßen- sowie Stadtteilfesten
bis hin zu eigenen Konzerten. (Siehe obige Slide-Show)
Als Krönung erschien man dazu noch mit einem Video auf einer Ruhrgebiets-DVD, sowie mit 3 Titeln auf einer Doppel-CD der Skiffle-Szene in Deutschland.
Die erhoffte Weltkarriere blieb allerdings leider aus …..
Eine kleine Anmerkung zum Schluss:
Wie bei allen Bands gab's natürlich über die Jahre hinweg auch Fluktuation bei der Gruppe.
So sind vom Gründungstag heute noch Gerd Maikämper und Holger Hentrich dabei, Helmut Kost und Manni Segato stießen so gegen Ende 61 dazu.
Doch der Vollständigkeit halber hier noch die Ehemaligen:
Karl Heinz Thiel.- Waschbrett,
Dieter Müller - Gitarre u. Gesang ,
Dieter Klaus + - Gitarre u. Mandoline
Heinz Günter Middeldorf - Gitarre
(ist heute aktiv bei der "Old boys skiffle corporation" in Hamburg.)
Gerd Krupp - Piano,
Armin Könnies + - Trompetenmundstück,
Hansi Krampf - Teekistenbass,
Alfred Maikämper -Teekistenbass
Dietmar Kannacher + - Trompetenmundstück
Heinz van Genabith -Gitarre,
Heinz Teichert + - Klarinette
"Lemmi" Lehmann - Gitarre, Harp u. Gesang
P.S.. Das Ganze wäre nie passiert, hätte der damalige Bahnofsvorsteher Alois Rosskopf nicht ein Herz für die Jungs gehabt, und
seine Kohlen und Kartoffeln vom Luftschutz- in den Keller des Bahnhofgebäudes umgeschichtet.